Glutenfreie Ernährung Trend oder medizinische Notwendigkeit?
Ein typischer Trend in unserer Gesellschaft ist die glutenfreie Ernährung. Immer mehr Menschen verzichten auf glutenhaltige Produkte – doch ist das wirklich sinnvoll? Dieser umfassende Ratgeber klärt auf über Zöliakie, die medizinischen Hintergründe und die wissenschaftlichen Fakten zur glutenfreien Ernährung.
Was ist Zöliakie und wie wirkt sie sich aus?
Eine Zöliakie ist eine chronische Autoimmunerkrankung des Dünndarms, die lebenslang besteht und derzeit nicht geheilt werden kann. Bei Menschen mit Zöliakie löst die Aufnahme von Gluten – einem Klebereiweiß, das hauptsächlich in Weizen, Roggen, Gerste und Dinkel vorkommt – eine Immunreaktion aus, die sich verheerend auf den Verdauungstrakt auswirkt.
Der Mechanismus dieser Erkrankung ist komplex: Wenn Betroffene glutenhaltige Lebensmittel zu sich nehmen, reagiert das Immunsystem fehlerhaft und greift die eigene Dünndarmschleimhaut an. Dies führt zu chronischen Entzündungen, die langfristig die feinen Darmzotten schädigen. Diese fingerförmigen Ausstülpungen der Darmwand sind jedoch essentiell für die Nährstoffaufnahme – ihre Zerstörung hat weitreichende Folgen für den gesamten Organismus.
Die Symptome einer Zöliakie sind vielfältig und können von Person zu Person stark variieren. Zu den klassischen Beschwerden gehören anhaltender Durchfall, der oft wässrig und voluminös ist, starke Bauchschmerzen und Krämpfe, die besonders nach dem Essen auftreten, sowie ausgeprägte Blähungen mit einem aufgetriebenen Bauchgefühl. Viele Betroffene leiden zudem unter ungewolltem Gewichtsverlust, da die Nährstoffe nicht mehr ausreichend aufgenommen werden können.
Besonders tückisch ist die chronische Müdigkeit und Erschöpfung, die durch Mangelerscheinungen entsteht. Der geschädigte Darm kann wichtige Vitamine, Mineralstoffe und andere Nährstoffe nicht mehr effektiv resorbieren. Dies kann zu Eisenmangel, Vitamin-B12-Mangel, Kalziummangel und weiteren Defiziten führen, die sich in Blutarmut, Knochenschwäche, neurologischen Problemen und anderen schwerwiegenden Gesundheitsstörungen manifestieren können.
Die Diagnose einer Zöliakie erfolgt in mehreren Schritten und erfordert medizinische Expertise. Zunächst werden spezifische Bluttests durchgeführt, die nach charakteristischen Antikörpern suchen – insbesondere Transglutaminase-Antikörper und Endomysium-Antikörper. Bei positivem Befund folgt in der Regel eine Dünndarmbiopsie, bei der kleine Gewebeproben aus dem Dünndarm entnommen und mikroskopisch untersucht werden. Nur so kann die Diagnose zweifelsfrei gesichert werden.
Für Menschen mit gesicherter Zöliakie ist eine strikte glutenfreie Diät die einzige wirksame Therapie. Bereits kleinste Mengen Gluten können die Entzündungsreaktion auslösen, weshalb Betroffene ihr Leben lang penibel auf die Zusammensetzung ihrer Nahrung achten müssen. Bei konsequenter Einhaltung der glutenfreien Ernährung können sich die Darmzotten jedoch regenerieren und die Symptome verschwinden vollständig.
Was ist Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS)?
Neben der Zöliakie existiert ein weiteres Krankheitsbild, das als Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS) oder einfach Glutensensitivität bezeichnet wird. Im Gegensatz zur Zöliakie handelt es sich hierbei weder um eine Autoimmunerkrankung noch um eine Allergie gegen Weizen. Betroffene reagieren zwar ebenfalls auf den Verzehr von glutenhaltigen Lebensmitteln mit Beschwerden, doch die Mechanismen und die Art der Reaktion unterscheiden sich grundlegend.
Bei NCGS führt der Glutenkonsum nicht zu den für Zöliakie typischen Schäden an der Dünndarmschleimhaut oder zur Produktion spezifischer Antikörper. Stattdessen treten eine Reihe von Symptomen auf, die sowohl den Verdauungstrakt als auch andere Körpersysteme betreffen können. Die genaue Ursache der NCGS ist bislang noch nicht vollständig geklärt und Gegenstand intensiver Forschung. Es wird vermutet, dass neben Gluten auch andere Bestandteile des Weizens, wie bestimmte Kohlenhydrate (FODMAPs) oder ATIs (Amylase-Trypsin-Inhibitoren), eine Rolle spielen könnten.
Vielfältige Symptome
Die Beschwerden bei NCGS sind oft unspezifisch und ähneln denen der Zöliakie oder des Reizdarmsyndroms. Dazu gehören Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung, aber auch extraintestinale Symptome wie chronische Müdigkeit, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Hautausschläge oder Konzentrationsschwierigkeiten.
Ausschlussdiagnose
Die Diagnose von NCGS ist komplex, da es keine eindeutigen Biomarker gibt. Sie erfolgt in der Regel als Ausschlussdiagnose: Zunächst müssen Zöliakie und Weizenallergie durch entsprechende Tests sicher ausgeschlossen werden. Anschließend wird eine glutenfreie Diät für einen bestimmten Zeitraum eingehalten, um zu prüfen, ob sich die Symptome bessern. Bestätigt wird die NCGS, wenn die Beschwerden bei erneuter Glutenaufnahme wiederkehren.
Die Fakten: Wie viele Menschen sind wirklich betroffen?
Die wissenschaftlichen Daten zur Verbreitung von Zöliakie zeichnen ein klares Bild: In Deutschland und anderen deutschsprachigen Ländern leiden etwa 1% der Bevölkerung an einer diagnostizierten Zöliakie. Das bedeutet, dass statistisch gesehen einer von hundert Menschen tatsächlich eine medizinische Notwendigkeit hat, auf Gluten zu verzichten. Diese Prävalenz ist im internationalen Vergleich relativ konstant und wurde durch zahlreiche epidemiologische Studien bestätigt.
Interessanterweise ist diese Zahl deutlich geringer als bei anderen Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Zum Vergleich: An einer Laktose-Intoleranz, also der Unverträglichkeit von Milchzucker, leiden im deutschsprachigen Raum schätzungsweise 15-20% der Bevölkerung – das ist etwa jeder fünfte Mensch. Die Laktose-Intoleranz ist damit zwanzigmal häufiger als die Zöliakie, wird aber in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich weniger thematisiert.
Die Prävalenz der Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität ist schwer genau zu bestimmen, da es keine standardisierten diagnostischen Kriterien gibt und viele Menschen sich selbst diagnostizieren. Schätzungen variieren stark, liegen aber oft höher als die der Zöliakie. Studien deuten darauf hin, dass etwa 0,5% bis 6% der Bevölkerung von NCGS betroffen sein könnten, wobei einige Berichte sogar höhere Zahlen nennen. Es ist wichtig, eine professionelle Diagnose zu suchen, um Fehldiagnosen und unnötige Einschränkungen der Ernährung zu vermeiden.
Trotz dieser relativ niedrigen Betroffenenrate von lediglich 1-6% zeigt sich ein paradoxes gesellschaftliches Phänomen: Aktuelle Umfragen und Marktstudien belegen, dass mittlerweile bis zu 30% der Bevölkerung zeitweise oder dauerhaft auf glutenhaltige Produkte verzichten – obwohl sie keine medizinische Diagnose vorweisen können. Das bedeutet, dass für jeden einen Menschen mit tatsächlicher Zöliakie dreißig Menschen ohne medizinische Notwendigkeit glutenfrei leben.
Dieser bemerkenswerte Trend zur glutenfreien Ernährung wird durch verschiedene gesellschaftliche Faktoren befeuert. Soziale Medien spielen dabei eine zentrale Rolle: Influencer und selbsternannte Gesundheitsexperten propagieren glutenfreie Ernährung als Wundermittel für mehr Energie, bessere Fitness und Gewichtsverlust. Prominente Persönlichkeiten berichten von ihren angeblich positiven Erfahrungen, und Lifestyle-Magazine präsentieren glutenfreie Rezepte als moderne, gesundheitsbewusste Ernährungsform.
Die Lebensmittelindustrie hat auf diesen Trend schnell reagiert und bietet mittlerweile ein riesiges Sortiment an glutenfreien Produkten an – von Brot und Pasta über Kekse bis hin zu Fertiggerichten. Diese Produkte sind oft deutlich teurer als ihre glutenhaltigen Pendants, was einen lukrativen Markt geschaffen hat. Der Umsatz mit glutenfreien Lebensmitteln ist in den letzten zehn Jahren exponentiell gestiegen und erreicht mittlerweile Milliardenhöhe.
Doch hier liegt ein fundamentales Missverständnis vor: Die große Mehrheit dieser 30% verzichtet ohne medizinischen Grund auf Gluten. Sie erhoffen sich gesundheitliche Vorteile, die wissenschaftlich nicht belegt sind – oder gehen sogar davon aus, dass glutenhaltige Lebensmittel grundsätzlich ungesund seien. Diese Annahme ist nicht nur falsch, sondern kann, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, sogar gesundheitliche Nachteile mit sich bringen.
Die wissenschaftliche Wahrheit: Warum glutenfreie Ernährung ohne Unverträglichkeit schadet
Die wissenschaftliche Evidenz zur glutenfreien Ernährung bei gesunden Menschen ist eindeutig – und überraschend: Der Verzicht auf Gluten ohne medizinische Notwendigkeit bringt nicht nur keine Vorteile, sondern kann sogar erhebliche gesundheitliche Nachteile nach sich ziehen. Eine der bedeutendsten Studien zu diesem Thema wurde 2017 im renommierten British Medical Journal veröffentlicht und liefert beeindruckende Langzeitdaten.
Diese großangelegte prospektive Kohortenstudie begleitete über 100.000 Probanden über einen Zeitraum von 26 Jahren und untersuchte den Zusammenhang zwischen Glutenkonsum und dem Risiko für koronare Herzkrankheiten. Die Teilnehmer wurden in fünf Gruppen eingeteilt – vom niedrigsten bis zum höchsten Glutenkonsum. Die Ergebnisse waren für viele überraschend, widersprechen sie doch dem weitverbreiteten Glauben, dass weniger Gluten gesünder sei.
Die Daten zeigen ein klares Bild: Die Gruppe mit dem höchsten Gluten-Konsum hatte das geringste Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Konkret wiesen die Teilnehmer im obersten Fünftel der Glutenaufnahme eine Inzidenzrate für koronare Herzkrankheiten von 277 Ereignissen pro 100.000 Personenjahre auf. Im Gegensatz dazu zeigten die Teilnehmer im untersten Fünftel – also jene mit dem geringsten Glutenkonsum – eine deutlich höhere Rate von 352 Ereignissen pro 100.000 Personenjahre.
Diese Zahlen bedeuten eine unbereinigte Differenz von 75 weniger Fällen koronarer Herzkrankheit pro 100.000 Personenjahre (95%-Konfidenzintervall: 51 bis 98) bei den Menschen mit hohem Glutenkonsum. Statistisch ausgedrückt: Menschen, die viel Gluten konsumieren, haben ein etwa 21% niedrigeres Risiko für koronare Herzkrankheiten als Menschen mit geringem Glutenkonsum. Dies ist ein medizinisch hochsignifikanter Unterschied.
Doch warum ist das so? Die Erklärung liegt nicht im Gluten selbst, sondern in den Lebensmitteln, die Gluten enthalten – insbesondere Vollkornprodukte. Wer auf Gluten verzichtet, meidet zwangsläufig auch Vollkornweizen, Vollkornroggen und andere glutenhaltige Vollkorngetreide. Diese sind jedoch zweifelsfrei gesund und spielen eine zentrale Rolle für ein funktionierendes Herz-Kreislauf-System.
Vollkornprodukte sind wahre Nährstoffbomben: Sie enthalten große Mengen an Ballaststoffen, die den Cholesterinspiegel senken und die Darmgesundheit fördern. Sie liefern B-Vitamine wie Thiamin, Riboflavin, Niacin und Folsäure, die für den Energiestoffwechsel und die Zellfunktion essentiell sind. Zudem sind sie reich an Mineralstoffen wie Magnesium, das für Herz und Muskeln wichtig ist, sowie Eisen für die Blutbildung. Nicht zu vergessen sind die sekundären Pflanzenstoffe – bioaktive Substanzen mit antioxidativer und entzündungshemmender Wirkung.
Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben den schützenden Effekt von Vollkornprodukten nachgewiesen. Sie senken nicht nur das Risiko für Herzkrankheiten, sondern auch für Diabetes Typ 2, Darmkrebs, Schlaganfall und sogar bestimmte neurodegenerative Erkrankungen. Die Ballaststoffe in Vollkorn regulieren den Blutzuckerspiegel, fördern ein gesundes Darmmikrobiom und tragen zur Gewichtskontrolle bei, indem sie lange sättigen.
Menschen, die ohne medizinische Notwendigkeit auf Gluten verzichten, greifen häufig zu stark verarbeiteten glutenfreien Ersatzprodukten. Diese industriell hergestellten Alternativen basieren oft auf raffiniertem Reis-, Mais- oder Kartoffelmehl und enthalten deutlich weniger Ballaststoffe und Nährstoffe als ihre Vollkorn-Pendants. Um Geschmack und Konsistenz zu verbessern, werden oft mehr Zucker, Fett und Zusatzstoffe verwendet. Das Resultat: weniger Nährstoffe, mehr Kalorien, höherer glykämischer Index.
Die wissenschaftliche Schlussfolgerung ist eindeutig: Eine glutenfreie Ernährung ohne diagnostizierte Zöliakie oder Glutensensitivität ist nicht nur unnötig, sondern potentiell gesundheitsschädlich. Sie beraubt den Körper wichtiger Nährstoffe und erhöht langfristig das Risiko für schwerwiegende Erkrankungen. Lange Rede, kurzer Sinn: Wer keine Unverträglichkeit hat, sollte auf Gluten nicht verzichten.
Glutenfreie Ernährung im Sport: Leistungskiller statt Leistungsbooster
Auch in der Sportwelt hat sich der Mythos der glutenfreien Ernährung hartnäckig etabliert. Manche Athleten und Trainer glauben, dass der Verzicht auf Gluten die sportliche Leistungsfähigkeit steigert, zu schnellerer Regeneration führt oder Entzündungen reduziert. Doch was sagt die Wissenschaft dazu? Mehrere kontrollierte Studien haben dieses Thema systematisch untersucht – und die Ergebnisse sind ernüchternd für Befürworter der glutenfreien Sport-Ernährung.
Eine randomisierte kontrollierte Studie mit Ausdauersportlern zeigte keine messbaren Unterschiede in der Leistungsfähigkeit zwischen einer glutenhaltigen und glutenfreien Diät. Die Probanden absolvierten Zeitfahren, Ausdauertests und Kraftmessungen – in keinem Parameter konnte ein Vorteil der glutenfreien Ernährung nachgewiesen werden. Weder die maximale Sauerstoffaufnahme, noch die Laktatwerte oder die subjektive Belastungswahrnehmung unterschieden sich signifikant.
Weitere Untersuchungen mit Radfahrern, Läufern und Triathleten kamen zu ähnlichen Ergebnissen: Glutenfreie Ernährung bringt bei Sportlern ohne Zöliakie keinerlei Leistungsvorteile. Im Gegenteil – einige Studien deuten sogar auf potenzielle Nachteile hin. Der Grund liegt in der Nährstoffzusammensetzung der Ernährung: Glutenhaltige Vollkornprodukte sind für Ausdauersportler eine ideale Energiequelle.
Vollkorngetreide liefert komplexe Kohlenhydrate mit mittlerem bis niedrigem glykämischen Index. Diese werden langsam und kontinuierlich ins Blut abgegeben und sorgen für eine stabile Energieversorgung über längere Zeiträume – ideal für Ausdauerbelastungen. Zudem enthalten sie mehr Protein als raffinierte Getreidealternativen und liefern wichtige Mikronährstoffe wie Magnesium für die Muskelfunktion, Eisen für den Sauerstofftransport und B-Vitamine für den Energiestoffwechsel.
Profiathleten, die ohne medizinische Notwendigkeit auf Gluten verzichten, berauben sich damit einer wertvollen Kohlenhydratquelle ohne messbaren Vorteil. Die glutenfreien Ersatzprodukte, auf die sie ausweichen, sind oft nährstoffärmer und weniger gut für die sportliche Leistung geeignet. Zudem ist eine glutenfreie Ernährung im Trainingsalltag und auf Reisen deutlich aufwendiger und einschränkender.
Einige Athleten berichten zwar subjektiv von Verbesserungen durch glutenfreie Ernährung – dies lässt sich jedoch meist durch den Placebo-Effekt erklären oder dadurch, dass sie gleichzeitig ihre gesamte Ernährung umgestellt und bewusster gegessen haben. In doppelblinden Studien, bei denen weder Sportler noch Betreuer wussten, wer glutenfrei isst, verschwanden diese subjektiven Vorteile.
Die klare Botschaft für Sportler lautet: Ohne diagnostizierte Zöliakie oder Glutensensitivität gibt es keinen Grund, auf Gluten zu verzichten. Vollkornprodukte sollten fester Bestandteil einer ausgewogenen Sporternährung sein. Sie unterstützen die Leistungsfähigkeit, fördern die Regeneration und tragen zur langfristigen Gesundheit bei – weit mehr als jedes glutenfreie Trendprodukt.
Wann ist glutenfreie Ernährung wirklich sinnvoll?
Nach all den wissenschaftlichen Fakten stellt sich die berechtigte Frage: Für wen ist eine glutenfreie Ernährung tatsächlich notwendig und sinnvoll? Die Antwort basiert auf medizinischen Diagnosen und wissenschaftlichen Kriterien – nicht auf Trends oder subjektiven Empfindungen. Es gibt drei Hauptgruppen, für die der Verzicht auf Gluten medizinisch begründet und absolut notwendig ist.
An erster Stelle stehen Menschen mit diagnostizierter Zöliakie. Wie bereits ausführlich dargelegt, handelt es sich dabei um eine Autoimmunerkrankung, bei der der Verzehr von Gluten zu chronischen Entzündungen und Darmschäden führt. Für diese etwa 1% der Bevölkerung ist eine strikte, lebenslange glutenfreie Ernährung die einzige wirksame Therapie. Bereits kleinste Mengen Gluten – selbst Spuren durch Kreuzkontamination – können die Symptome auslösen. Diese Menschen sind auf speziell gekennzeichnete glutenfreie Produkte angewiesen und müssen in ihrem Alltag äußerst wachsam sein.
Die zweite Gruppe umfasst Personen mit einer Weizenallergie. Im Unterschied zur Zöliakie handelt es sich hier um eine echte IgE-vermittelte Allergie gegen Weizenproteine. Die Symptome können von Hautausschlägen und Atembeschwerden bis hin zu lebensbedrohlichen anaphylaktischen Reaktionen reichen. Menschen mit Weizenallergie müssen Weizen und oft auch verwandte Getreide meiden. Die Diagnose erfolgt durch Allergietests und sollte von einem Allergologen gestellt werden.
Die dritte und kontroverseste Gruppe sind Menschen mit nachgewiesener Glutensensitivität (auch Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität genannt). Bei dieser Erkrankung treten nach dem Verzehr glutenhaltiger Lebensmittel Beschwerden auf – ähnlich wie bei Zöliakie – ohne dass die charakteristischen Autoimmunmarker oder Darmschäden nachweisbar sind. Die Diagnose ist schwierig und erfolgt durch Ausschluss anderer Erkrankungen sowie durch kontrollierte Eliminationsdiäten unter ärztlicher Aufsicht.
Wichtig ist: Die Diagnose dieser Erkrankungen sollte immer durch medizinische Fachkräfte erfolgen – idealerweise durch einen Gastroenterologen oder Allergologen. Selbstdiagnosen oder Tests aus dem Internet sind nicht aussagekräftig und können zu unnötigen Ernährungseinschränkungen führen. Vor einer Testung sollte Gluten auf keinen Fall schon aus der Ernährung entfernt werden, da dies die Testergebnisse verfälschen kann.
Für alle anderen Menschen – also die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung – ist eine glutenfreie Ernährung nicht nur unnötig, sondern potenziell nachteilig. Die wissenschaftlichen Daten zeigen klar, dass der Verzicht auf glutenhaltige Vollkornprodukte das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht, zu Nährstoffdefiziten führen kann und keinerlei gesundheitliche oder sportliche Vorteile bringt.
Die zentrale Botschaft lautet: Glutenfreie Ernährung ist eine medizinische Therapie, keine Lifestyle-Entscheidung. Sie sollte nur bei nachgewiesener medizinischer Notwendigkeit erfolgen. Wer ohne Diagnose auf Gluten verzichtet, folgt einem wissenschaftlich nicht begründeten Trend, der langfristig mehr schadet als nützt. Eine ausgewogene Ernährung mit Vollkornprodukten ist für die allermeisten Menschen die gesündeste Wahl.
Fazit: Evidenz statt Trends folgen
Die wissenschaftliche Evidenz zur glutenfreien Ernährung ist eindeutig und lässt wenig Raum für Interpretation: Für die überwältigende Mehrheit der Menschen ist der Verzicht auf Gluten unnötig und potentiell gesundheitsschädlich. Nur etwa 1% der Bevölkerung leidet an Zöliakie und benötigt tatsächlich eine strikte glutenfreie Ernährung. Hinzu kommen einige wenige Menschen mit Weizenallergie oder nachgewiesener Glutensensitivität. Für alle anderen – also etwa 98% der Bevölkerung – bringt glutenfreie Ernährung keinerlei Vorteile.
Die großangelegte 26-Jahres-Studie mit über 100.000 Teilnehmern hat eindrucksvoll gezeigt: Menschen mit dem höchsten Glutenkonsum hatten ein signifikant niedrigeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Menschen mit geringem Glutenkonsum. Der Unterschied von 75 weniger Fällen koronarer Herzkrankheit pro 100.000 Personenjahre ist medizinisch höchst relevant und unterstreicht die schützende Wirkung glutenhaltiger Vollkornprodukte.
Vollkorngetreide zählt zu den wertvollsten Lebensmittelgruppen überhaupt: Reich an Ballaststoffen, B-Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen, schützen sie nachweislich vor Herzkrankheiten, Diabetes Typ 2, Darmkrebs und vielen weiteren chronischen Erkrankungen. Wer ohne medizinische Notwendigkeit auf Gluten verzichtet, beraubt sich dieser wertvollen Nährstoffe und greift stattdessen oft zu stark verarbeiteten, nährstoffarmen Ersatzprodukten mit hohem Zucker- und Fettgehalt.
Auch für Sportler gilt: Glutenfreie Ernährung bringt keinerlei Leistungsvorteile. Multiple Studien konnten keine messbare Verbesserung der sportlichen Performance durch Glutenverzicht nachweisen. Stattdessen liefern glutenhaltige Vollkornprodukte komplexe Kohlenhydrate – die ideale Energiequelle für Ausdauersportler und essentiell für optimale Leistungsfähigkeit.
Der aktuelle Trend, dass bis zu 30% der Bevölkerung ohne medizinische Indikation glutenfrei leben, basiert auf Fehlinformationen und Marketing, nicht auf wissenschaftlichen Fakten. Influencer, Lifestyle-Magazine und die Lebensmittelindustrie haben ein lukratives Geschäftsmodell erschaffen, das von Unsicherheit und Gesundheitsängsten profitiert. Die Realität ist jedoch klar: Für gesunde Menschen ist Gluten völlig unbedenklich und glutenhaltige Vollkornprodukte sind Teil einer gesunden Ernährung.
Die Empfehlung ist daher eindeutig: Verzichten Sie nur dann auf Gluten, wenn Sie eine diagnostizierte Zöliakie, Weizenallergie oder nachgewiesene Glutensensitivität haben. Lassen Sie sich bei Verdacht von medizinischen Fachkräften untersuchen – nicht von selbsternannten Experten im Internet. Und wenn Sie gesund sind, genießen Sie Vollkornbrot, Vollkornnudeln und andere glutenhaltige Vollkornprodukte als das, was sie sind: wertvolle Bausteine einer ausgewogenen, gesundheitsfördernden Ernährung.
Folgen Sie der Wissenschaft, nicht den Trends. Ihr Körper wird es Ihnen danken – insbesondere Ihr Herz-Kreislauf-System.
Sie möchten mehr dazu erfahren dann buchen Sie einer meiner zahlreichen Webinare und Ausbildungen
Quelle:
Kommentare
Kommentar veröffentlichen