Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper - die Wirkung von Krafttraining auf das Gehirn

 


Die Muskulatur als körpereigene Apotheke - wie Sport unser Gehirn beeinflusst 

Sport ist nicht nur gut für den Körper, sondern auch für den Geist. Diese alte Weisheit, die bereits der römische Dichter Juvenal mit seinem berühmten Ausspruch "mens sana in corpore sano" (ein gesunder Geist in einem gesunden Körper) prägte, wird durch moderne wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigt. Prof. Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln erforscht seit Jahrzehnten, wie unsere Muskulatur durch sportliche Aktivität insbesondere Krafttraining Botenstoffe produziert, die unser Gehirn positiv beeinflussen. Diese Forschung zeigt, dass unsere Muskeln tatsächlich als eine Art "körpereigene Apotheke" fungieren, die wichtige Substanzen für unser Gehirn produziert.

Die bidirektionale Kommunikation zwischen Muskeln und Gehirn

Die Beziehung zwischen Muskeln und Gehirn ist keineswegs eine Einbahnstraße. Wie Prof. Wilhelm Bloch erklärt, findet ein komplexer "Cross-Talk" zwischen diesen Organsystemen statt. "Die Verbindungen zwischen Gehirn und Muskeln sind Nervenbahnen und die Blutgefäße, über die Signale in beide Richtungen unterwegs sind", erläutert der Experte.

Dieser Austausch beschränkt sich nicht nur auf diese beiden Systeme, sondern umfasst den gesamten Körper. Besonders bemerkenswert ist die biochemische Kommunikation über das Blutgefäßsystem. Während körperlicher Aktivität produzieren unsere Muskeln spezielle Botenstoffe, sogenannte Myokine, die hormonähnliche Eigenschaften aufweisen. Zudem entstehen Metabolite als Stoffwechsel-Zwischenprodukte. Beide Substanzgruppen haben direkte Auswirkungen auf unser Gehirn. "Myokine und Metabolite sorgen dafür, dass das Gehirn stimuliert wird und durch die Metabolite noch genügend Futter bekommt", erklärt Prof. Bloch.

 Diese biochemischen Signale sind ein wesentlicher Teil des Mechanismus, durch den körperliche Aktivität unsere kognitiven Fähigkeiten verbessern kann. Die wissenschaftliche Betrachtung dieses Kommunikationssystems zwischen Muskeln und Gehirn hat in den letzten Jahren zu einem Paradigmenwechsel geführt: Die Muskulatur wird nicht mehr nur als ausführendes Organ betrachtet, sondern als aktiver Kommunikationspartner für das zentrale Nervensystem, der durch eigene Signalmoleküle direkten Einfluss auf die Gehirnfunktion nehmen kann.

Laktat und andere Metabolite: Treibstoff für unser Gehirn

Bei intensiver körperlicher Aktivität entstehen in unseren Muskeln verschiedene Stoffwechselprodukte, darunter Laktat, das umgangssprachlich oft als Milchsäure bezeichnet wird. Entgegen der verbreiteten Annahme, dass Laktat lediglich ein Abfallprodukt sei, hat die Forschung gezeigt, dass es sich um einen wertvollen Energielieferanten für unser Gehirn handelt. "Wenn ich ins Fitness-Studio gehe, dann fordere ich mich richtig auf dem Laufband oder beim Krafttraining.

In der Folge entsteht Laktat", erklärt Prof. Bloch. "Dieses Laktat ist ein Metabolit, den auch das Gehirn zur Energieversorgung benutzt." Durch die Nutzung dieses Stoffwechsel-Zwischenprodukts verbessert das Gehirn seine energetische Versorgung, was wiederum die Denkfähigkeit erhöhen kann. Die Energiebereitstellung durch Laktat ist besonders wichtig, da das Gehirn eines der energiehungrigsten Organe unseres Körpers ist. Obwohl es nur etwa 2% unseres Körpergewichts ausmacht, verbraucht es rund 20% unseres Grundumsatzes an Energie. Durch sportliche Aktivität wird die Verfügbarkeit von Energieträgern wie Laktat erhöht, was die metabolische Effizienz des Gehirns steigern kann. Neben Laktat entstehen bei körperlicher Aktivität noch weitere Metabolite, die positive Effekte auf unser Gehirn haben können.

Diese Stoffwechselprodukte beeinflussen nicht nur den Energiehaushalt, sondern können auch regulatorische Funktionen übernehmen und zur Neuroplastizität beitragen – der Fähigkeit des Gehirns, sich strukturell und funktionell anzupassen. Die Forschung auf diesem Gebiet verdeutlicht, dass regelmäßige körperliche Aktivität nicht nur kurzfristige Verbesserungen der Gehirnfunktion bewirken kann, sondern auch langfristig zum Erhalt der kognitiven Leistungsfähigkeit beiträgt.

Myokine als Schutzschild für unser Nervensystem:

Neben Metaboliten produzieren unsere Muskeln bei körperlicher Aktivität auch spezielle Proteine, die als Myokine bezeichnet werden. Diese hormonähnlichen Botenstoffe haben eine bemerkenswerte Eigenschaft: Einige von ihnen können die Blut-Hirn-Schranke überwinden – jene natürliche Barriere, die das Gehirn vor potenziell schädlichen Substanzen im Blutkreislauf schützt. "Einige dieser Myokine fördern das Nervenzell-Wachstum und den Schutz der Nervenzellen", erläutert Prof. Bloch. Ein besonders gut untersuchtes Beispiel ist der sogenannte Brain-derived Neurotrophic Factor (BDNF).

 "BDNF unterstützt zum Beispiel die synaptische Plastizität, also die Anpassungsfähigkeit des Gehirns, was besonders für das Langzeitgedächtnis und Lernprozesse entscheidend ist." Die schützende Wirkung von Sport auf unser Gehirn geht jedoch noch weiter.

Prof. Bloch erklärt: "Es gibt auch, vereinfacht gesagt, schlechte Metabolite. Stoffwechsel-Zwischenprodukte, die auch die Nervenzellen im Gehirn schädigen können.

Durch Sport insbesondere Krafttraining  verändern wir diese neurotoxischen Produkte auf eine Art und Weise, dass sie nicht mehr ins Gehirn gelangen, weil sie nicht mehr die Blut-Hirn-Schranke überwinden können." Diese doppelte Schutzfunktion – die Förderung neuroprotektiver Substanzen und die Verhinderung des Eindringens neurotoxischer Stoffe – macht Sport zu einem wirksamen Mittel für die Erhaltung der Gehirngesundheit.

Langzeitstudien haben gezeigt, dass Menschen, die regelmäßig körperlich aktiv sind, ein geringeres Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson aufweisen. Besonders beeindruckend ist die Erkenntnis, dass diese positiven Effekte sogar transgenerational wirken können:

 "Die Produktion dieser Botenstoffe springt im übertragenen Sinne sogar während der Schwangerschaft von der Mutter auf ihr werdendes Kind über", erklärt Prof. Bloch. "Wenn eine Schwangere sich sportlich betätigt, wird sogar die BDNF-Produktion im Gehirn des Fötus gefördert, was zu einem verstärkten Wachstum der Nervenzellen führt."

Das optimale Zeitfenster für geistige Höchstleistungen nach dem Sport Sportliche Aktivität schafft im Gehirn ein optimales biochemisches Milieu für kognitive Leistungen – doch dieses Zeitfenster ist begrenzt.

Nach Prof. Blochs Forschung sind wir "rund eine halbe Stunde nach dem Sport und dann häufig für einen sogenannten transienten, also vorübergehenden Zeitraum von circa zwei Stunden" geistig besonders aufnahmefähig. In dieser Zeitspanne ist die Konzentration der Myokine und Metabolite, die die neuronale Plastizität fördern, besonders hoch. Das Gehirn befindet sich dann in einem Zustand erhöhter Bereitschaft, neue Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. Diese Erkenntnis hat wichtige praktische Implikationen für Lernstrategien und die Optimierung kognitiver Leistungen.

Entgegen der verbreiteten Annahme, dass man für intellektuelle Herausforderungen ausgeruht sein sollte, empfiehlt Prof. Bloch: "Ein Sportler nimmt am besten intellektuelle Herausforderungen kurz nach einer nicht zu erschöpfenden Trainingseinheit auf." Dies widerspricht der gängigen Praxis vieler Trainer, die Taktikschulungen mit ausgeruhten Athleten durchführen. Diese Erkenntnisse lassen sich auch auf den Bildungsbereich übertragen.

Prof. Bloch kritisiert den geringen Stellenwert des Schulsports im deutschen Bildungssystem: "Im Prinzip müsste morgens in der Schule in der ersten Stunde immer Sport gemacht werden, um die Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit zu verbessern." Mit nur etwa 78 Stunden Schulsport pro Schuljahr in der Primarstufe liegt Deutschland im internationalen Vergleich lediglich im Mittelfeld. Auch Studierenden empfiehlt der Wissenschaftler, vor Prüfungen Sport zu treiben: "Geht vorher laufen und kommt eine halbe Stunde danach zur Prüfung: Das ist die beste Vorbereitung!" Diese einfache Strategie könnte die Prüfungsleistungen signifikant verbessern, wird aber im Bildungssystem bisher kaum systematisch genutzt.

Fazit:

Sport als unverzichtbarer Bestandteil kognitiver Gesundheit Die Forschungsarbeiten von Prof. Wilhelm Bloch und seinen Kollegen an der Deutschen Sporthochschule Köln haben eindrucksvoll belegt, dass der alte lateinische Spruch "mens sana in corpore sano" auf solider wissenschaftlicher Grundlage steht.

Die Muskulatur als "körpereigene Apotheke" produziert bei sportlicher Aktivität insbesondere Krafttraining wichtige Botenstoffe, die direkte und indirekte Auswirkungen auf unser Gehirn haben. Diese Botenstoffe – Myokine und Metabolite – verbessern nicht nur die Energieversorgung des Gehirns, sondern fördern auch das Nervenzellwachstum, schützen vor neurotoxischen Substanzen und steigern die synaptische Plastizität. All diese Effekte tragen zu einer verbesserten kognitiven Leistungsfähigkeit bei und können langfristig vor neurodegenerativen Erkrankungen schützen.

 Die Erkenntnis, dass wir nach sportlicher Betätigung ein Zeitfenster von etwa zwei Stunden mit erhöhter geistiger Aufnahmefähigkeit haben, sollte in Bildungseinrichtungen und beim individuellen Lernen berücksichtigt werden. Statt Sport und geistige Bildung als getrennte Bereiche zu betrachten, sollten sie als komplementäre Elemente einer ganzheitlichen Entwicklung verstanden werden.

Die Forderung nach mehr Sportunterricht in Schulen erhält durch diese Forschungsergebnisse eine neue wissenschaftliche Grundlage. Sport ist nicht nur für die körperliche Gesundheit wichtig, sondern auch ein wesentlicher Faktor für kognitive Leistungsfähigkeit und geistige Gesundheit. Für jeden Einzelnen bedeutet dies: Regelmäßige körperliche Aktivität ist nicht nur eine Investition in die körperliche Fitness, sondern auch in die geistige Leistungsfähigkeit.

Besonders in Phasen intensiven Lernens oder hoher kognitiver Anforderungen kann gezielter Sport die Gehirnleistung optimieren und sollte daher fester Bestandteil des Alltags sein.

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