Das sagt die Forschung zu den Ursachen von Long Covid
Jeder zehnte an Corona Erkrankte leidet noch heute unter Long-Covid-Symptomen.
Die Entstehung von Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion ist nicht vollständig aufgeklärt. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse:
Versteckte Viren:
Möglicherweise liegt hier der Kern des Problems: SARS-CoV-2-Viren verbergen sich auch nach der Infektion im Körper, beispielsweise im Darm oder in der Schleimhaut der Atemwege. Es ist möglich, dass sie sich dort erneut vermehren und in den Blutkreislauf gelangen. Dies könnte das Immunsystem immer wieder aufs Neue aktivieren – wenn auch nicht so stark wie bei der Erstinfektion.
"An einigen Stellen ist das Virus für das Immunsystem wahrscheinlich schwerer zu finden", erklärt Prof. Dr. Rembert Koczulla, Chefarzt am Fachzentrum für Pneumologie der Schön Klinik Berchtesgadener Land. "Daher ist es so schwierig, das Virus vollständig aus dem Körper zu eliminieren." Studien haben gezeigt, dass eine Impfung nachträglich Symptome mildern kann.
Autoimmunreaktionen:
Bei Long Covid könnte das Immunsystem überreagieren. Autoantikörper würden dann körpereigene Zellen angreifen. Dies kann Schäden an verschiedenen Organsystemen verursachen, einschließlich des zentralen Nervensystems. "Warum das passiert, verstehen wir noch nicht genau", sagt Koczulla. "Möglicherweise erkennt der Körper einige der versteckten Viruspartikel." Eine andere Theorie ist, dass die Autoimmunerkrankung bereits vor der Corona-Infektion bestand und erst danach diagnostiziert wurde, so Prof. Dr. Bernhard Schieffer, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie.
Chronische Entzündungen:
Forschungen legen nahe, dass bei Long Covid eine anhaltende Entzündungsaktivität eine Rolle spielt. Bestimmte Entzündungsmarker wie Zytokine halten das Immunsystem in ständiger Alarmbereitschaft. Dies kann zu Gewebeschäden führen – teilweise auch langfristig. "Selbst wenn die Entzündungsreaktion nachlässt, können Gewebeschäden bestehen bleiben", erklärt Koczulla.
Als mögliche Konsequenz einer Entzündungsreaktion in den Gefäßen können sich die Gefäßinnenwand und ihre Funktion verändern. Kleine Blutgerinnsel können sich bilden, die auch den Blutfluss behindern. Das wiederum kann zur Entstehung verschiedenster Symptome beitragen, wie zum Beispiel Kurzatmigkeit, anhaltende Müdigkeit oder Herzklopfen. „Allerdings sind Gerinnungshemmer zur Behandlung wenig hilfreich“, sagt Bernhard Schieffer. „Bei uns in der Long-Covid-Ambulanz nehmen wir solche Gerinnsel schlicht als Zeichen, dass die Erkrankung nicht im Griff ist.“
Epstein-Barr-Virus:
In Erwachsenen schlummern oftmals verschiedene Viren, etwa aus der Herpes-Familie. Dazu gehört auch das Epstein-Barr-Virus, welches das Pfeiffer’sche Drüsenfieber auslöst und bei über 90 Prozent aller Menschen vorhanden ist. Es gibt Hinweise darauf, dass es durch das Coronavirus wieder aktiviert werden kann und dann beispielsweise die chronische Fatigue verursacht. „Gerade bei jungen Frauen sehen wir das in der Ambulanz häufig“, berichtet Bernhard Schieffer.
Veränderte Darmflora:
Im Darm leben rund 100 Billionen Mikroorganismen, darunter Viren, Pilze und hauptsächlich Bakterien. Wie sich das Mikrobiom genau zusammensetzt, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Bei bestimmten Menschen verändert das Covid Virus scheinbar die Darmflora so dass „schlechte Bakterien“ die Oberhand bekommen.
Risikofaktoren:
Das Coronavirus scheint im Körper verschiedene Reaktionen anzustoßen. Was nach einer Infektion genau passiert, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch – und hängt von diversen Faktoren ab. Frauen sind häufiger von Long Covid betroffen als Männer. Auch bestimmte Vorerkrankungen spielen eine Rolle. Koczulla: „Die akute Entzündungsreaktion kann chronische Probleme wie etwa Depressionen oder eine Lungenerkrankung verstärken.“ Laut einer Studie der Universitätsmedizin Halle verringerte ein geringer Fettanteil und eine hohe Muskelmasse das Risiko für Post Covid, also Beschwerden, die mehr als zwölf Wochen nach Infektion bestehen.
Therapien:
Offenbar kommen viele verschiedene Ursachen für die Entstehung von Long Covid infrage. Verstanden und geklärt ist die Erkrankung noch lange nicht. Das bedeutet auch: Die eine Therapie gibt es nicht. Stattdessen werden derzeit verschiedene Behandlungsansätze erforscht. Neben bestimmten Wirkstoffen, die sich zum Beispiel gegen die Entzündungen oder Autoimmunprozesse richten, sollen auch Bewegungs- oder Trainingstherapien helfen.
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